Erfahrung eines Flüchtlingshelfers, Harald Bergerhoff
Geschrieben am dritten Juni Zweitausendundsechzehn in Wermelskirchen
“Hallo zusammen,
nachdem ich nun schon zum wiederholten Male mit dem Marktleiter des hiesigen REWE Marktes (früher EKZ) über ein (unbezahltes !) Berufsfindungspraktikum für einen noch nicht anerkannten jungen Mann aus Eritrea gesprochen habe und letztlich mit meinen Bemühungen erfolglos geblieben bin, möchte ich einen kurzen Erfahrungsbericht abgeben:
Herr Seidel hatte den ersten Versuch gemacht ein dreiwöchiges bis dreimonatiges, unbezahltes Praktikum für den bereits recht gut Deutsch sprechenden jungen Eritreer zu bekommen. Grundsätzlich erklärte sich der Marktleiter dazu bereit. Man wünschtet jedoch eine schriftliche Zusage, dass die Unfallversicherung vom Ausländer- oder Sozialamt übernommen werde. Nachdem ich die Sache von Herrn Seidel wegen dessen zeitlicher Beanspruchung übernommen hatte, erhielt ich vom Marktleiter beim nächsten Gespräch eine ähnliche Antwort. Schließlich holte ich Auskünfte beim Ausländeramt und bei der zuständigen Berufsgenossenschaft ein (eigentlich hätte dies der Betrieb tun sollen) und erfuhr, dass dem Betrieb durch ein unentgeldliches Praktikum keine Kosten entstehen und dass der Praktikant ganz normal über die Berufsgenossenschaft des Betriebes unfallversichert ist. Dies teilte ich dem Marktleiter mit, worauf ich nun erfuhr, dass die Geschäftsleitung in Hagen eigentlich keine ( nicht anerkannten )
Flüchtlinge als Praktikanten wolle. Die Sache mit der Unfallversicherung war also wohl eher ein vorgeschobener Grund gewesen. Der Marktleiter versicherte zwar persönlich seinen guten Willen. da er aber an die Direktiven aus Hagen gebunden sei, könne er nicht frei entscheiden. Nun habe ich ihn gebeten noch einmal mit seiner Geschäftsleitung zu sprechen. Das Ergebnis erhielt ich heute: Man wolle, dass das Ausländeramt auf REWE zukommt (um was zu tun ???) und werde keine schriftlichen Zusagen über die Durchführung von Praktika für individuelle Personen geben. Mit anderen Worten: Die Rewe-Geschäftsgruppe zeigt alles andere als gelebte Integrationsbemühungen. Dahinter steht vielleicht — wie ich von einem früheren Mitarbeiter im Management der LIDL-Stiftung erfuhr -, dass im Einzelhandel die Vergabe unbezahlter Berufsfindungspraktika auch an deutsche Bewerber bei vielen großen Arbeitgebern seit einiger Zeit nicht mehr möglich ist. Jeder Praktikant (wahrscheinlich mit der Ausnahme von Schulpraktikanten) erhält zum Beispiel bei LIDL den gesetzlichen Mindestlohn bzw. sogar etwas mehr. Solche Firmen-Regelungen verunmöglichen natürlich die berufliche Integration im Bereich des Einzelhandels. Vielleicht bringt das neue Integrationsgesetz mit seinen 100000 geplanten Ein-Euro-Jobs hier eine Verbesserung. Als Kunden werden Flüchtlinge selbstverständlich jetzt schon voll integriert… Nur in Sachsen fesselt man sie gelegentlich vor dem Geschäft an einen Baum.
Mich würde interessieren, ob andere ähnlich frustrierende Erfahrungen gemacht haben, bzw. bei welchem Einzelhändler solche Berufsfindungspraktika problemlos möglich sind.
Harald Bergerhoff”