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Die Mülleimerfrau

Es ist Sonn­tag­mor­gen um 6:15 und ich star­te auf mei­nen Mor­gen­lauf

Heu­te ist es mit acht­zehn Grad etwas küh­ler als die Tage zuvor und ich füh­le mich trotz des gest­ri­gen Grill­abends recht gut. Ok, der Bauch schwab­belt etwas mehr als sonst

Ich lau­fe rauf in die Stadt um dort um 6:26 mei­nen Freund Bul­bul zu tref­fen

Kurz vor­her sehe ich sie wie­der, die­se älte­re Frau, wel­che in den Müll­ei­mern der Stadt nach Leer­gut sucht. Ich sehe sie seit Jah­ren immer an den zwei Tagen des Wochen­en­des. Anja und ich nann­ten sie bis­her “Die Müll­ei­mer­frau”, weil wir ihren Namen nicht kann­ten. Wir grü­ßen uns immer kurz mit einem freund­li­chen “Hal­lo” und wün­schen uns einen schö­nen Tag 

Heu­te blieb ich bei ihr ste­hen, wir stell­ten uns mit Namen vor und ich bat sie, ihr eine Fra­ge stel­len zu dür­fen:

War­um machen sie das?

Sie ant­wor­te­te mir: “Ich brau­che das Geld.”

Ich hak­te nach und woll­te es genau­er wis­sen, denn es gibt ja die Mög­lich­keit neben einer zu klei­nen Ren­te noch die soge­nann­te Grund­si­che­rung zu bean­tra­gen

Sie führ­te wei­ter aus: “Ich habe eine Ren­ten­er­hö­hung bekom­men und seit dem liegt mei­ne Ren­te ein paar Pfen­ni­ge über die­ser Gren­ze, so dass ich nichts mehr erhal­te. Und bis­her leb­te ich noch mit jeman­dem zusam­men und dann kamen wir gut aus. Ach und ich mache das auch nur am Wochen­en­de und dann habe ich auch gleich ein paar Stun­den Bewe­gung.” Hmmm …

Ich lief dann wei­ter und traf ver­spä­tet auf Bul­bul. Wir lie­fen, wie sich der geneig­te Leser schon den­ken mag, nach Len­nep

Unter­wegs spra­chen wir genau über die­ses The­ma und ich frag­te Bul­bul was ich machen könne/solle, um ihr viel­leicht zu hel­fen

Er mein­te, dass es dazu bes­ser wäre mal in Ruhe mit ihr spre­chen zu kön­nen, um mehr zu erfah­ren. Viel­leicht steht es gar nicht so schlimm um sie und sie macht es “nur” als klei­nes Zubrot. Aber das bekä­me ich halt nur her­aus, wenn ich mal in Ruhe mit ihr spre­chen könn­te. Wie­der Hmmm …

Hin­ter Ber­gisch Born trab­te uns Mar­tin ent­ge­gen und beglei­te­te uns bis Len­nep. Dort am Wen­de­punkt gesell­te sich noch Bodos Frau zu unse­rer Lauf­grup­pe und in die­ser Kon­stel­la­ti­on jogg­ten wir dann zurück bis nach Ber­gisch Born. Hier tra­fen wir dann Bodo, der sich mit dem Fahr­rad auf sei­nem Heim­weg von der Arbeit befand. Ihm schlos­sen sich sei­ne Frau und Mar­tin an, um eben­falls zurück nach Len­nep zu lau­fen. Bul­bul und ich waren also wie­der allei­ne

In Wer­mels­kir­chen tra­fen wir dann wie­der auf die “Müll­ei­mer­frau”, deren Name ich nun kann­te, aber hier ver­ständ­li­cher­wei­se nicht nen­nen möch­te

Wir lie­fen zu ihr hin und ich rief ihr schon zu:

Ich bin mit der Sache noch nicht fer­tig!

Sie grins­te und ich frag­te erneut, wes­halb sie denn nicht wei­ter ver­su­che einen Zuschuss zu erhal­ten, wenn es so knapp sei

Sie ant­wor­te­te: “Die­se vie­len Papie­re, wenn ich schon von denen so einen Brief bekom­me. Furcht­bar. Und dann die­se gan­zen Papie­re aus­fül­len für so ein paar Pfen­ni­ge…”

Ich stell­te ihr kurz Bul­bul vor und erzähl­te ihr, dass er mit nichts hier ange­kom­men sei und sich auch erst an die­sen gan­zen Papier­kram gewöh­nen muss­te, um sei­ne Unter­stüt­zung zu erhal­ten. Er hat mitt­ler­wei­le eine Aus­bil­dung abge­schlos­sen und sich von der Stüt­ze unab­hän­gig gemacht. Wir haben ihm dabei so gut wie mög­lich gehol­fen und genau das bie­te ich ihr nun auch an

Ich hel­fe ihnen ger­ne bei den Papie­ren und Anträ­gen, wenn sie das möch­ten

Ich wie­der­hol­te das mehr­fach und sie grins­te nur

Läufst du jeden Tag?” frag­te sie mich noch

Ja, jeden Tag und wenn du willst, dann bring mir mor­gens dei­ne Brie­fe mit in die Stadt und ich ver­su­che dir dann zu hel­fen

Das war mein Stre­aktag 2408 mit 53609 km in Fol­ge

Gym­nas­tik, Obst, Joghurt und Kör­ner

“They just could­n’t belie­ve that someone would do all that run­ning for no par­ti­cu­lar reason.” For­rest Gump

4 Antworten auf „Die Mülleimerfrau“

Lie­ber Lutz !

Ein guter Denk­an­stoß auch für mich noch mehr für die Gesell­schaft zu tun..Ich bin da ähn­lich ein­ge­stellt und ver­nei­ge mich für Dei­ne Mensch­lich­keit.…!
Reich­tum hat für mich schon lan­ge nichts mehr mit Geld zu tun.Reichtum tra­gen wir nicht im Geld­beu­tel son­dern in uns !!!

Wir müs­sen es nur erken­nen …dann ist auf die­ser Welt eini­ges mög­lich !!

Naja @Lutz, auch die Grund­si­che­rung schützt nicht vor Armut. Es ist dann etwas mehr, dass zum über­le­ben da ist, aber wahr­schein­lich wird sie auch dann wei­ter­hin Fla­schen sam­meln müs­sen. Unser Sys­tem ist lei­der nicht Gerecht und auch wenn Grund­si­che­rung drauf steht, ist da lei­der Got­tes nur Armut drin.

In Ber­lin kannst du, wenn du Glück hast, mit dei­ner Ren­te auf Grund­si­che­rungs­ni­veau noch dei­ne Mie­te zah­len, Lebens­mit­tel und Co. muss du dann schon bei den Tafeln besor­gen und neue Klei­dung und die Teil­nah­me an einem sozia­len Leben kannst du damit aber ver­ges­sen. Und da kann ich die Frau schon ver­ste­hen, wenn das am Ende zu viel für sie ist, beson­ders, weil sie dem Amt ja — so wie bei Hartz4 auch — alles offen­le­gen muss.

Es ist ein Anfang und ich ken­ne die Umstän­de nicht, wes­halb sie in die­ser Situa­ti­on ist. Des­halb schlei­chen sich die­se Gedan­ken an die­ser Stel­le noch nicht bei mir ein. Es bleibt nun abzu­war­ten, ob sie mei­ne Hil­fe annimmt. Ich wer­de nach eini­ger Zeit noch­mal nach­fra­gen. Ich muss irgend­wo anfan­gen und dann wei­ter­se­hen. Wenn ich immer nur nach dem Staat rufe, dann wird das in mei­nem Leben nichts mehr.

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