Tag: 22. Oktober 2022
Das alte Haus und die Energie
Heute vor einem Jahr, am 22. Oktober 2021, zog meine Mutter aus dem alten Lehmfachwerkhaus aus. Drei Wochen später hat sie sich dann ganz verabschiedet.
Seit April wohnen Anja und ich nach dreiunddreißig Jahren wieder in diesem uralten Haus. Damals, als ich aus diesem Haus ausgezogen war, war alles ganz anders als heute. Nicht ganz.
Als junger Mann zeigte ich wenig Interesse an Energieeinsparungen, ok, mein Vater lebte damals noch und hob regelmäßig den Zeigefinger, wenn ich die Heizkörper in meinem Zimmer zu weit aufdrehte oder gar nicht abdrehte, wenn ich das Haus verließ. Er rief mir auch immer hinterher, ob ich die Schiebetür geschlossen hätte, welche die untere von der ersten Etage trennte, in der mein Zimmer lag. Und meist musste ich wieder umdrehen und sie schließen. So war das damals.
In der heutigen Zeit ist es umso wichtiger, Energie einzusparen oder gegebenenfalls selbst welche zu erzeugen, welche dann verbraucht werden kann. Energie einsparen macht Sinn, sollte allerdings auch zum Gesamtkonzept passen. Ein Gesamtkonzept aus Vorhandenem, Veränderbarem und Erneuerbarem. Wie fühlt man sich dabei, was kostet das, was nutzt das und was will man, nachdem man sich alle möglichen Informationen eingeholt hat?
Das Haus ist nicht ganz dicht. Es atmet quasi durch das Hemd und durch die Hose. Im feuchten Gewölbekeller befindet sich ein Brunnen, vielleicht mit Froschkönig, in der dritten, der obersten Etage gibt es keine Heizung und auch kein fließendes Wasser, aber immerhin Strom. Unten im Keller und ganz oben sind die Lehmwände, weiß gekälkt. Einen Nagel in die Wand zu schlagen, geht zwar, doch man kann ihn mit bloßen Händen wieder herausziehen. Es gibt einen Anbau. Eigentlich eine alte Farbenfabrik, ein Backsteingebäude, welches wir als Garage nutzen und es die Werkstatt nennen, weil hier das ganze Werkzeug und eine Werkbank steckt. Bevor ich geboren wurde, stand zwischen der Werkstatt und dem Haus das Häuschen, die Toilette, draußen. Als mein Vater das alte Haus am Anfang der sechziger Jahre umbaute, schloss er diese freie Lücke. Dort sind nun unsere Haustür und ein Flur als Verbindung zu Toilette und Bad, welche eigentlich zum Gebäude der Werkstatt gehören. Abgetrennt vom Haus und nur durch den Flur verbunden ist es dort eigentlich immer recht kühl.
Dieses Haus lebt und es soll auch am Leben bleiben.
In den sechs Monaten zwischen dem Auszug meiner Mutter und unserem Einzug standen im Haus erst einmal einige Renovierungen auf dem Plan und dabei haben wir uns schon gut überlegt, ob und was wir verändern können und wollen.
Neue effizientere Heizkörper mussten rein, die alte Gasheizung sollten wir vorerst belassen, denn wenn sie mal ihren Geist aufgibt, dann muss da etwas modernes und an solch ein altes Gebäude angepasstes hinein, die sanitären Anlagen wurden erneuert, der Strom ergänzt und überarbeitet, einiges erneuert. Das Haus sollte nicht zu dicht gemacht werden, um Schimmel keine große Chance zu bieten. Auch Photovoltaik könnte etwas Strom bringen, doch die Anschaffung rechnet sich für unseren geringen Stromverbrauch bislang nicht und wir beziehen unseren Strom aus erneuerbarer Energie. Noch mal zur Erinnerung, dieses Haus lebt und sollte möglichst seinen alten Charme behalten. Sonst hätten wir es abreißen und einen neuen Bunker bauen können. Das wäre wahrscheinlich ökologisch nicht so dolle und ökonomisch vermutlich auch nicht.
Wir benötigen nicht sehr viel Wärme und sind schon mit sechzehn und neunzehn Grad zufrieden. Vermutlich, weil wir viel Zeit draußen verbringen und da sind sechzehn bis neunzehn Grad immer recht warm. So wird auch nicht das ganze Haus erwärmt, wurde es meines Wissens nach eigentlich nie.
Jetzt tüfteln wir an den Einstellungen der Heizung herum und drehen hier etwas runter und dort etwas rauf, um dieses Haus am Leben zu erhalten. Dieses Haus, ganz nah bei der Stadtkirche im alten Dorf gab es schon zu Zeiten, in denen im Keller die Kohlen gestapelt wurden und diese in einem kleinen Ofen für Wärme sorgten.
Momentan lebt dieses Haus mit uns darin.
Es bleibt spannend.